Our website uses cookies in order to be able to offer the best possible functionality. By using the website you agree to the use of cookies. More information can be found here.
Angela Westdorf ist Managing Partner bei Signium am Standort Köln. Seit 1998 ist sie bei Signium mit Fokus auf Life Sciences und Healthcare aktiv. Zu Angela Westdorfs Klienten zählen Unternehmen aus Life Sciences in den Bereichen Pharma/Biotech und...
Angela Westdorf: Alle Unternehmen, die wie Biontech schnell in der Lage waren, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen, profitieren enorm. Biontech entwickelt eigentlich personalisierte Immuntherapien, um Krebs und Infektionskrankheiten zu behandeln. Das Unternehmen, das in Mainz passenderweise An der Goldgrube 12 sitzt, hat die neuen Marktchancen umgehend erkannt. Die Kunst ist Agilität, die den erfolgreichen Unternehmer ja auch auszeichnet. Das beginnt im Kleinen, wenn ein Maschinenbauer oder Hemdenproduzent Atemschutzmasken produziert und endet bei Pharmaherstellern, die bereits vermarktete Medikamente, etwa gegen das Ebola-Virus, daraufhin prüfen, ob sie auch Covid-19-Patienten heilen können.
Westdorf: Neben den Impfherstellern – bis Ende Januar 2021 hat die Weltgesundheitsorganisation 238 weltweite Projekte gezählt – sind das alle Pharma- und Biotech-Unternehmen, die Lösungen zur Diagnose und zur Bekämpfung von Covid-19 anbieten. Dazu gehören die Hersteller von allen diagnostischen Tests wie Antigen-Schnelltests oder PCR-Tests, von Spritzen und Kanülen, Mund-Nasenschutzmasken und Desinfektionsmitteln. Ebenso Anbieter von medizinischer Software, Ausrüster von Notfallkliniken wie auf dem Berliner Messegelände sowie den Impfstationen, die deutschlandweit weiterhin im Eiltempo aufgebaut und eingesetzt werden. Auch nachgelagerte Produktionen profitieren von der Pandemie. Das betrifft die Hersteller der Ampullen, in denen der Impfstoff abgefüllt wird, sowie Beatmungshersteller. Bei diesen Produzenten standen chinesische Abnehmer schon Schlange, als in Deutschland das Virus noch niemand ernst genommen hat.
Westdorf: Ich denke schon. Mittlerweile kennt fast jeder einen Infizierten und nicht bei jedem ähnelt der Verlauf nur dem einer leichten Grippe. Zusätzlich erfährt jeder mit dem Lockdown enorme persönliche Einschränkungen. Beides schärft das Bewusstsein für die Bedeutung von Pharmaforschung und Therapien, um das Virus zu bekämpfen. Mit der Pandemie könnte die Chance verbunden sein, dass eine bedrängte Industrie einen großen Imagegewinn erzielt, weil die Unternehmen maßgeblich zur Lösung des Problems beitragen und gleichzeitig Deutschland eine hohe Wertschöpfung, sichere Arbeitsplätze und stabile Steuereinnahmen bringen. Die Financial Times spricht von der Chance einer Rehabilitierung von Big Pharma. Das sehe ich auch so.
Westdorf: Durch die neuen AHA-Regeln – Abstand halten, Hygiene beachten und Alltagsmaske – bekommen viel weniger Menschen die für die kalte Jahreszeit typischen Krankheiten wie Husten, Schnupfen, Heiserkeit. Firmen, die Medikamente in diesem Bereich herstellen, leiden sehr. Das Verschieben nicht dringend notwendiger Operationen ließ die Nachfrage nach künstlichen Hüften, Kniegelenken oder auch Implantaten einbrechen. Und zahlreiche Arztpraxen haben deutlich weniger zu tun, weil die Menschen zuhause bleiben. Das wirkt sich natürlich auf die Bestellungen von Material und Medikamenten aus.
Westdorf: Ich rechne nicht mit einer Deglobalisierung. Die Firmen produzieren weltweit, um zum Beispiel Generika günstig anbieten zu können. Wer wäre denn bereit für ein einfaches Medikament 20 Euro zu bezahlen, weil es in einem Land mit hohen Löhnen produziert wurde? Die Lieferketten werden sicher breiter aufgestellt, um sich für weitere Lockdowns zu wappnen und dann gegebenenfalls auf andere Standorte ausweichen zu können. Nur mit einer vielfältigen Lieferanten- und Produktionsstruktur, die es ja auch schon in der Vergangenheit gab, sind die Unternehmen gegenüber externen Schocks widerstandsfähig.
Westdorf: Pharma ist die forschungsintensivste Branche in Deutschland und spielt auch für die Produktion eine wichtige Rolle. Moderne Hightech-Medikamente, Impfstoffe und Zubereitungen für die medizinische Diagnostik werden hier hergestellt. Viele exportorientierte Branchen trifft die weltweite Pandemie stark. Die Pharmaindustrie kann zu einer Stabilisierung der Wirtschaft beitragen.
Westdorf: Anfangs befanden sich auch diese Branchen in einer Schockstarre. Aber seit dem Sommer 2020 hat die Nachfrage deutlich angezogen. Personalentscheidungen, die zunächst vertagt wurden, werden seitdem gefällt, sei es, weil man sanieren muss oder Geschäft aufbauen will. Es werden deshalb zum Beispiel gerade verstärkt Chief Operating Officers gesucht, die das teilweise rasante Wachstum oder auch die notwendigen Umstrukturierungen begleiten. Es gilt eine adäquate Struktur zu schaffen und die gesamte Supply Chain entlang der Wertschöpfungskette auszurichten, um flexibel produzieren zu können. Darüber hinaus wird jetzt wieder verstärkt der Fokus auf den optimalen Marktzugang für neue Produkte in der Pharmaindustrie gelegt. Damit sind versierte Führungskräfte für die Felder Market Access Governmental Affairs wieder begehrt.
Angela Westdorf ist als Managing Partner bei Signium mit Sitz in Köln tätig und arbeitet seit 1998 in der Executive Search Beratung. Anfang 2018 rückte sie im internationalen Board von Signium zum Vice Chairman auf. Seit 2003 liegt ihr Branchenfokus auf Life Sciences und Healthcare. Zu Ihren Klienten zählen Unternehmen aus Pharma- und Medizintechnik, Diagnostik, Laborketten, Biotech und Private Klinikbetreiber. Sie ist spezialisiert auf die Besetzung von sowohl nationalen als auch globalen Führungspositionen oder international ausgerichteten Stabsfunktionen.
Von 2013 bis 2018 war Angela Westdorf Leiterin der Globalen Life Science Practice von Signium.
Telefon: 0221 78 95 33 31
E-Mail: [email protected]