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620.000 deutsche Mittelständler suchen in den kommenden drei Jahren einen Nachfolger. Damit brauchen 17 Prozent aller deutschen Mittelständler laut einer Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Ersatz an der Spitze. Vor drei Jahren lag die Zahl noch bei 14 Prozent. Aber die Zahl der potenziellen Nachfolger sinkt, nicht zuletzt wegen der demografischen Entwicklung. Nur gut 56 Prozent können laut KfW die Nachfolge in der Familie in Betracht ziehen. „Wollen Inhaber von Familienunternehmen den Fortbestand ihres Lebenswerkes auch nach ihrem Rückzug sichern, sollten sie umdenken“, sagt Horst Neller, Managing Partner bei der Internationalen Personalberatung Signium. Es sei mehr Weitsicht, Mut und Kreativität gefragt.
Als der Chef starb, war der Notfallkoffer nicht gepackt. Fast 40 Jahre hatte Dieter Burmester Musikanlagen der Luxusklasse entwickelt. Das Geschäft lief gut. Erste Adressen der deutschen Automobilindustrie wie Daimler oder Porsche bauten die High-End-Audiosysteme der Berliner Manufaktur in ihre Topmodelle ein. Nach dem plötzlichen Tod des Unternehmers übernahm seine Frau spontan das Ruder. Geplant war das nicht. Doch die Nachfolge hatte der 69-Jährige nicht geregelt. Verkaufen wollte Marianne Burmester nicht. Mit Porsche-Manager Andreas Henke fand sie schließlich einen familienfremden Manager, der das Lebenswerk ihres Mannes als CEO fortführen wird. Wie Burmester sind viele deutsche Familienunternehmen auf die Übergabe der Firma nicht optimal vorbereitet.
Rund ein Drittel derer, die in den kommenden drei Jahren ihren Betrieb übergeben wollen, haben sich darüber laut einer Studie der staatlichen Förderbank KfW bisher lediglich informiert oder sich sogar überhaupt noch nicht damit beschäftigt. „Wenn die Übergabe jedoch verschleppt wird, gefährdet der Unternehmer den Fortbestand seines Lebenswerks und damit auch die Arbeitsplätze“, warnt Executive Search Partner Horst Neller. Und genau das wolle der Inhaber ja nicht, da er sich stark mit dem Schicksal des oftmals lange von ihm gelenkten Familienbetriebes identifiziere. „Oberstes Ziel muss es deshalb sein, den Wert der Firma im Interesse der Belegschaft und der nächsten Generation zu erhalten.“
Mögen viele Seniorchefs eine Übergabe innerhalb der Familie bevorzugen, so lässt sich der Wunsch oftmals nicht erfüllen. Nur gut 56 Prozent können laut KfW die Nachfolge in der Familie regeln, weil Söhne, Töchter, Neffen oder Nichten entweder nicht willens oder nicht geeignet sind. In seinen Gesprächen mit Klienten stellt der Signium-Partner fest, dass die jüngere Generation selbstbewusster und eigenständiger agiert als die Generation zuvor. „Sie hat gespürt, mit wie viel Schweiß und Tränen der Unternehmeralltag verbunden ist. Die Work Life Balance, also die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben, ist vielen Erben heute wichtiger als früher. Unabhängig davon will man sich nicht automatisch in den Dienst des Unternehmens stellen, sondern eigene Ziele und Interessen verfolgen.“ Häufig muss ein Senior deshalb intern einen Nachfolger entwickeln oder extern suchen. „Die Integration von familienfremden Managern in die Unternehmensspitze zählt sicher zu den größten Herausforderungen für inhabergeführte Unternehmen“, ist Neller überzeugt. Bei der Personalauswahl sei deshalb besonderes Fingerspitzengefühl gefragt.
„Da viele Inhaber viel zu spät den Prozess einläuten und deshalb die Chance verpasst haben, einen internen Nachfolger aufzubauen, muss kurzfristig jemand von außen geholt werden“, beobachtet Neller. Mit weitreichenden Folgen: Oft werde über die eigenen Netzwerke gesucht, sei es Banken, Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder IHKs. „Meist beschränkt sich diese Suche auf die eigene Branche, was eine unnötige Einschränkung sein kann.“ Statt Weitblick dominiere der Tunnelblick. Der neue Chef müsse aber die Herausforderungen von morgen und übermorgen meistern und das Geschäftsmodell entsprechend ausrichten.
Der langjährig erfahrene Personalberater Signiums ist überzeugt, dass die besten Antworten nicht unbedingt in der eigenen Branche zu finden seien. „Warum holt sich Opel mit Tina Müller eine Marketingchefin, die zuvor Führungskraft beim Konsumgüterproduzenten Henkel war?“ „Umparken im Kopf“ gelte nicht nur für den von Müller auf den Weg gebrachten neuen Werbeslogan, sondern auch für die Personalsuche.
Besondere Herausforderungen sieht Neller beim Thema Digitalisierung. „Es gibt keine Branche, in der sie nicht eine Rolle spielt. Aber die Entwicklung ist in Industrie, Handel und Dienstleistung und auch innerhalb der Sektoren unterschiedlich vorangeschritten.“ Bei der Suche eines familienfremden Managers könne es deshalb durchaus Sinn machen, eine Führungskraft zu gewinnen, die in ihrer Branche bereits die Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt, damit das Geschäftsmodell weiterentwickelt und die Zukunft des Unternehmens abgesichert hat. Das könnte dem suchenden Unternehmen auch guttun.
Noch werde zudem überwiegend in Deutschland gesucht, beobachtet Neller. Ein Blick über den Tellerrand könne durchaus lohnen. „In Großbritannien etwa ist die Entwicklung des E-Commerce viel weiter vorangeschritten als in Deutschland und der Online-Anteil am Umsatz liegt teilweise bereits deutlich höher.“ Unternehmen ohne eine ausgereifte Multi-Channel-Strategie könnten zum Beispiel von der Expertise einer britischen Führungskraft profitieren. Natürlich müsse die Passung zur Unternehmenskultur stimmen.
Soll der Stabwechsel an einen Fremdmanager gelingen, muss die Inhaberfamilie nach Ansicht des Personalberaters allerdings auch akzeptieren, dass man sich im Tagesgeschäft heraushält. „Kein qualifizierter Manager wird akzeptieren, dass er bei der sonntäglichen Kaffeetafel den Eigentümern Schritt für Schritt sein Handeln erklären muss.“ Daran seien schon viele Übergaben gescheitert. Auch eine zu lange Einarbeitungszeit könne abschreckend wirken.
Neller plädiert deshalb für einen sorgfältigen und rechtzeitigen Auswahlprozess. „Die Toleranz des Scheiterns einer Führungskraft ist in einem Familienunternehmen geringer als in einem nicht inhabergeführten Unternehmen. Das liegt vor allem an der starken emotionalen Bindung.“ Umso wichtiger sei es, Schnellschüsse zu vermeiden.