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„Bietet Ihr Unternehmen flexible Arbeitszeitmodelle und die Möglichkeit, ab und an aus dem Home Office zu arbeiten?“ Eine Frage, die nicht nur HR-Verantwortlichen mittlerweile sehr vertraut erscheint. Doch wie relevant ist es heute wirklich für ein Unternehmen, den gesellschaftlichen Trend zur besseren Balance von Berufs- und Privatleben mitzugehen? Welche internen Veränderungen braucht eine Organisation, um ihre Mitarbeiter auch in Zukunft zu ihrem Besten zu motivieren?
Es besteht tatsächlich Handlungsbedarf. Betrachtet man die Präferenzen von Arbeitnehmern, wird schnell klar, dass es sich bei der vielbesprochenen Flexibilisierung des Arbeitslebens keineswegs nur um ein Strohfeuer handelt. Nicht nur bei Recruitment und Retention von Spitzenkräften sind Angebote wie flexible Arbeitszeitmodelle und Mobile Working entscheidend für die Attraktivität eines Arbeitgebers. Eine aktuelle Studie einer bekannten Karriereplattform ergab beispielsweise, dass sich über die Hälfte der Arbeitnehmer flexible Arbeitszeiten und Mobile Working wünschen. Immerhin über ein Drittel der Befragten wünschten sich darüber hinaus die Möglichkeit, einen Teil ihrer Arbeitszeit aus dem Homeoffice oder von anderswo zu leisten. Interessant ist, dass beide genannten Incentive-Formen in der Studie prozentual weit vor klassischen Leistungen wie der Bereitstellung eines Firmenwagens lagen, was sich beispielsweise nur knapp 15 % der Befragten wünschten.
Sicherlich sind Studien häufig nur eine Momentaufnahme und die Präferenzen der Mitarbeiter unterscheiden sich zwischen verschiedenen Berufsgruppen, Branchen, demografischen Gruppen sowie zwischen Fach- und Führungskräften. Dennoch häufen sich Hinweise, dass sich aktuell tatsächlich ein Wandel in der Arbeitskultur vollzieht, welcher bei den Verantwortlichen schon kurz- bis mittelfristig ein Umsteuern erfordern wird, falls man sich als Arbeitgeber weiterhin attraktiv positionieren möchte.
Neue Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ergeben, dass es schon heute für 40 Prozent aller in Deutschland Beschäftigten theoretisch möglich wäre, einen Teil ihrer Arbeit von daheim oder unterwegs zu erledigen. Diese Möglichkeit wurde auch von einer Vielzahl der Unternehmen erkannt, bei der Umsetzung ergibt sich jedoch ein geteiltes Bild. Auf der einen Seite gibt es Innovatoren, auf der anderen Seite jedoch auch „Dinosaurier“ wie einen Teil der Banken, Versicherungen und öffentlichen Verwaltungen, die, so das DIW, noch sehr selten flexible Arbeitszeitmodelle bieten. Aber es geht um mehr: Der Wunsch nach Flexibilisierung ist nicht alleine auf den Ort fokussiert, an dem wir unsere Arbeit verrichten. Motivation kann sich zumindest bei einem Teil der Mitarbeiter auch aus der Chance ergeben, die eigene Arbeitsweise zumindest innerhalb bestimmter Grenzen selbst zu bestimmen. Deshalb reicht es eben nicht aus, eine Homeoffice-Reglung einzuführen und die stationären Computer durch Laptops zu ersetzen. Zur wirklichen Flexibilisierung gehört z.B. auch die Möglichkeit, jederzeit und von überall auf benötigte Daten zugreifen zu können. In vielen Unternehmen wird es verständlicherweise als Risiko gesehen, die damit verbundenen Investitionen zu tätigen und geeignete Sicherheitsmaßnahmen zu implementieren. So sehen laut einer Studie eines großen IT-Dienstleisters, in deren Rahmen 900 Führungskräfte befragt wurden, über 60% der Teilnehmer IT-Probleme als die größte Herausforderung beim Übergang in neue Arbeitswelten an. Dieses Bewusstsein für mögliche Problembereiche zeigt jedoch auch, dass moderne Arbeitsmodelle durchaus Beachtung finden und Handlungsbedarf erkannt wird. Generell gibt es jedoch gerade im Mittelstand andere Bereiche, denen bei begrenzten Mitteln eine höhere Priorität zugestanden wird. Im Rahmen der Digitalisierung wird der Umsetzung entsprechender Lösungen beispielsweise in der Produktion häufig Vorrang vor Management- bzw. Verwaltungsaufgaben eingeräumt.
Auch im internationalen Vergleich gibt es erhebliche Unterschiede bei der Akzeptanz bzw. Verbreitung des Mobile Working und flexiblen Arbeitszeitmodellen im Allgemeinen. Eine weitere aktuelle DIW-Studie hat ergeben, dass in Deutschland nur knapp über 5% der Beschäftigten gelegentlich von daheim arbeiten, was offensichtlich stark mit den Wünschen der Arbeitnehmer kontrastiert. In Großbritannien ist eine teilweise Homeoffice-Lösung dagegen für über 20% der Beschäftigten Realität, in den nordischen Ländern werden teilweise sogar Werte über 25% erreicht. Jedoch vollzieht sich seit einiger Zeit auch hierzulande ein spürbarer Wandel, weg von der traditionellen Präsenzpflicht. Gegenüber 2014 hat sich nach den Daten einer führenden Karriereplattform die Zahl der Unternehmen, die ihren Mitarbeitern die Möglichkeit zum teilweisen Mobile Working bieten, um 40% erhöht. Diese Zahlen sagen jedoch wenig darüber aus, ob hinter den angebotenen Lösungen auch wirklich die Veränderung steht, die für eine wirkliche Transformation in die neue Arbeitswelt benötigt wird.
Vernetzung ist ein häufig genanntes Stichwort, wenn es um diese neuen Arbeitswelten geht. Sobald ein klassischer Nine-to-Five-Arbeitstag nicht mehr der gängige Standard im Unternehmen ist, wird man dazu übergehen müssen, Prozesse und Aufgaben weniger starr und eindimensional zu gestalten. Informationen müssen also zugänglich, Projektstände transparent und Herrschaftswissen demokratisiert werden, damit sich ein Team wirklich flexibel aufstellen kann und dynamisch auf schnell wechselnde neue Anforderungen einstellen kann. Hierzu werden einerseits geeignete IT-Lösungen für eine neue Form von Co-Working benötigt und andererseits muss eine Akzeptanz geschaffen werden, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Im Rahmen der Digitalisierung werden stationär zu erbringende, sich wiederholende Tätigkeiten immer mehr durch automatisierte Lösungen ersetzt werden. Die Rolle hochspezialisierter Experten wird dadurch immer wichtiger. Durch die Digitalisierung können sie Ihre Arbeit örtlich unabhängig erledigen, die Qualität der Arbeit wird transparent und vergleichbar. Es wird essentiell sein, qualifizierten Mitarbeitern die Flexibilität zu bieten, die sie im Gegenzug von einem Arbeitgeber erwarten, sowohl betreffend der Infrastruktur als auch der Unternehmenskultur.
Als das Konzept der ortsunabhängigen und zeitlich flexiblen Arbeitsgestaltung neu war, wurde zurecht auf die Gefahr einer absterbenden Kommunikation und einer „Entfremdung“ der Teammitglieder untereinander verwiesen. Obwohl sich durch die mittlerweile zur Selbstverständlichkeit gewordenen Technologien wie Chat-Apps und Videokonferenzen diese Tendenzen deutlich abgeschwächt haben, ist es nur schwer denkbar, in Zukunft komplett auf eine Präsenz am Arbeitsplatz zu verzichten, selbst bei einer weiter zunehmenden Vernetzung. Experten halten vor diesem Hintergrund eine Begrenzung der Homeoffice-Zeit auf zwei bis zweieinhalb Tage pro Woche sinnvoll, um den Rest der Zeit im Team zu verbringen. Auch sollte man als potentieller „Heimarbeiter“ bedenken, dass die eigene Sichtbarkeit unter der fehlenden Präsenz leiden kann. Für karrierebewusste Menschen ist eine klassischere Gestaltung ihrer Arbeitsweise und eine höhere Präsenszeit daher unter Umständen weiterhin vorzuziehen.
Um zu verhindern, dass eine flexible Arbeitszeitgestaltung bei Mitarbeitern als Zeichen der mangelnden Leistungsbereitschaft interpretiert wird, müssen entsprechende Reglungen durch systematische Absprachen zu Zielen, Aufgaben und Erreichbarkeiten ergänzt werden. Besonders herausfordernd ist ein flexibles Arbeiten für Führungskräfte. Es kostet Überwindung, die persönliche Teilnahme an einem Meeting mit dem Argument abzusagen, dass man am betreffenden Tag aus dem Homeoffice arbeitet. Im Gegenzug kann es als Machtverlust der Führungskraft wahrgenommen werden, auf die Anwesenheit seiner Mitarbeiter verzichten zu müssen. Wer nach dem Prinzip Weisung und Kontrolle führt, wird in jedem Falle am flexiblen Arbeitsmodell scheitern. Daher muss mit dem neuen Konzept auch eine weitreichende Veränderung der Führungskultur einhergehen, die der Führung anhand von Zielen und der Förderung von Eigenverantwortung einen größeren Raum gibt.
Als Begründung für flexible Zeitmodelle und das Homeoffice wird vor allem immer wieder die verbesserte Work-Life-Balance genannt. Die größere Flexibilität bedeutet jedoch gleichzeitig auch eine erhöhte Verantwortung für die eigenen Arbeitsergebnisse und erfordert ein gegenseitiges Vertrauen. Erhöhte Motivation und Leistungsfähigkeit, die aus Arbeitgebersicht am „modernen Arbeiten“ vorteilhaft sein können, sind nur mit einer entsprechenden Disziplin des Arbeitnehmers zu realisieren. In einer weitgehend kontrollfreien Umgebung mit erhöhten Ablenkungsmöglichkeiten kann nicht jeder das Versprechen einlösen, die volle Leistung zu erbringen. Andererseits besteht die Gefahr durch die verlorene Trennung zwischen Beruflichem und Privaten in eine „Always-on-Mentalität“ zu verfallen. Wer im privaten Umfeld arbeitet, läuft Gefahr, keine klaren Grenzen zu ziehen – weder anderen noch sich selbst gegenüber. Der erhoffte Zugewinn an Lebensqualität ist dann dahin.
Wie man als Arbeitgeber den Mitarbeiterwunsch nach zeitlicher und örtlicher Flexibilisierung der Arbeit auch immer bewertet – sicher ist, dass er eine Tatsache ist und man ihn gar nicht ignorieren kann. Mitarbeiterzufriedenheit ist zurecht einer der Punkte, die für jedes wettbewerbsfähige Unternehmen elementar sein müssen. Neben dem Wunsch nach Flexibilität ist jedoch auch der Wunsch nach Individualität ein nicht zu bestreitendes Bedürfnis – nicht erst seit dem Eintritt der Generation Y in das Arbeitsleben. Es sollte daher im Vordergrund stehen, entsprechende Wahlmöglichkeiten zu bieten. Nicht jeder erbringt im Homeoffice seine besten Leistungen, und für längst nicht jede Tätigkeit ist Mobile Working geeignet und förderlich – auch in Zukunft. Und es soll Menschen geben, die den Verzicht auf einen eigenen Schreibtisch und ein damit einhergehendes Büronomadenleben als nicht erstrebenswert bewerten.
Deshalb macht es häufig wenig Sinn, einfach die angesagten Trends aus den Start-Ups und dem in diesem Zusammenhang häufig beschworenen Silicon-Valley einfach zu kopieren. Es kann nicht richtig sein, Lösungen von einem Unternehmen auf das andere zu übertragen, nur um dem Zeitgeist zu entsprechen. Modernes Arbeiten bedeutet im Kern lediglich, so auf die Bedürfnisse von bestehenden und zukünftigen Mitarbeitern einzugehen, dass die Mitarbeiterzufriedenheit und damit die Leistungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit des gesamten Unternehmens an immer dynamischere Marktbedingungen und einen immer anspruchsvolleren „war for talents“ sichergestellt ist. Die Devise sollte daher lauten: Vieles ist möglich, aber nichts muss.