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Die WirtschaftsWoche beschreibt den Manager von heute als einen kritikfähigen, gelassenen „Bestimmer und Entscheider“, der seinen Mitarbeitern realistische Ziele setzt und sie im richtigen Maß partizipieren lässt. Es steht außer Frage, dass die Befähigung einer Führungskraft, diese Ziele zu erreichen, nicht alleine auf Grundlage der Fachkenntnisse oder bereits absolvierter Karrierepositionen ermittelt werden kann. Aktuelle Diskussionen zum Thema Personalauswahl gelten jedoch vielfach der Möglichkeit, diese verstärkt mit Hilfe von Software-Instrumenten zu bewerkstelligen. Die Promotoren dieser Vorgehensweise versprechen sich enorme Rationalisierungsmöglichkeiten und auch eine verbesserte Objektivität.
Sicherlich können Algorithmen aus einem Lebenslauf Fakten wie Schulabschlüsse, Hochschulgrade oder Weiterbildungen auslesen. Die Beurteilung der Qualität der Institutionen, die solche Abschlüsse anbieten ist schon schwieriger. Der Ruf aller möglichen (Bildungs-) Einrichtungen und Unternehmen kann nur schwer im Voraus erfasst werden und (durch Menschen) beurteilt werden, damit die Software sich auf diese Information stützen kann.
Noch weniger können Faktoren wie die Wechselmotivation oder die inhaltliche Qualität der wesentlichen Projekte der Person in den einzelnen Berufsstationen durch den Computer beurteilt werden.
Bei allen genannten Beurteilungspunkten geht es aber noch nicht einmal um die wesentlichen Faktoren für Führungskräfte, nämlich die Fähigkeit zu sozio-emotionalen Führung und die strategischen Fähigkeiten, wobei letztere meist ein „out of the box“-Denken verlangen.
Damit kommen wir zum unerlässlichen Anteil von Menschen bei diesen Selektionsprozessen, wobei es im Wesentlichen auf Intuition ankommt. Natürlich haben auch die beurteilenden Menschen eine unterschiedliche Fähigkeit zur Erfassung intuitiver Merkmale. Man ist deshalb gut beraten, dafür nur Personen einzusetzen, die über eine überdurchschnittliche emotionale Intelligenz verfügen.
Hilfreich bei der Erfassung und Beurteilung der Persönlichkeit sind eine Reihe von Fragen, deren Beantwortung entscheidende Rückschlüsse zulassen. Hierbei geht es neben der inhaltlichen Ebene vor allem um die genaue Beobachtung der spontanen Reaktionen des Interview-Teilnehmers. Neben der Bewertung der Antworten als solche kommt somit der Feststellung von Reaktionen körpersprachlicher oder verbaler Art als eine zentrale Rolle als Beurteilungsfaktoren zu: Als Beispiele kann man Unruhe, Entspanntheit, Bewegung, Sprachlautstärke, Artikulation sowie Mimik und Gestik anführen. Die Antworten auf diese Art von Fragen, die für Teilnehmer außerhalb des von Ihnen normalerweise abgedeckten beruflichen Spektrums liegen, lassen dadurch eine recht präzise Einschätzung der emotionalen Intelligenz sowie der geistigen Flexibilität des zu Beurteilenden zu.
Was sind nun Fragen zur Vertiefung des sogenannten „persönlichen Eindrucks“, deren „Reize“ den Probanden zu emotionalen Reaktionen bewegen?
Hier geht es um originelle Denkweise und Fantasie. Früchte können reif oder unreif sein, süß oder sauer, groß oder klein, exotisch oder regional, weich oder hart und vieles mehr. Will man selbst so oder so sein? Haben die Früchte Eigenschaften im übertragenen Sinne, die man schätzt und die man auch hat oder gerne hätte? Wäre man lieber ein Apfel als eine Ananas
2. Frage: Wie viele Gully-Deckel gibt es in Großbritannien?
Diese Frage kann niemand richtig beantworten, wahrscheinlich noch nicht einmal die zuständige Behörde.
Die Frage zielt auf das analytische Denkvermögen ab, auf das logische Ableiten von möglichen Lösungen. So kann man von der Größe Großbritanniens auf die mögliche Menge und Länge von Straßen schließen und daraus eine halbwegs plausible Zahl entwickeln. Möglicherweise geht es auch um die Einwohnerzahl und deren Abwassermengen. Der Fragende möchte solche Ansätze hören und nicht etwa eine „geratene“ Zahl, die logisch nicht nachvollziehbar ist.
3. Frage: Wenn es einen Laden gäbe, in dem man persönliche Eigenschaften kaufen könnte, welche Eigenschaft würden Sie sich dort kaufen?
Fast immer kommt hier spontan die Antwort „Geduld“. Schließt man diese für Führungskräfte ehrenvolle Antwort aus, wird es schwierig.
Die Frage zielt ja auf einen selbst wahrgenommen Mangel, eine Schwäche ab. Eine solche zu haben, scheint vielen Führungskräften aber als eine Art „Disqualifikation“.
Beharrt man auf der Frage, werden oft fachliche Mängel genannt: „ich möchte Bilanzen besser lesen können“ oder „meine SAP-Kenntnisse müssten verbessert werden“. Ein solches „Ausweichmanöver“ ist auch bezeichnend, denn danach wurde nicht gefragt.
Eine qualifizierte Führungskraft nennt hier vielmehr echte, selbst empfundene Schwächen, die bei jedem Menschen vorkommen. Diese erkannt zu haben und bearbeiten zu wollen, weisen auf eine überdurchschnittliche Persönlichkeit hin.
4. Frage: Wie würden Sie ihre Autobiographie nennen?
Hier wird invers zu Frage 3 nach den Höhepunkten und Erfolgen gefragt, denn nur diese werden die Überschrift über die Karriere einer Führungskraft sein. Auch Werte, Charakter und Antrieb können sich hier widerspiegeln.
Die Antwort auf wenige Wörter zu konzentrieren, lässt Schlüsse auf die Übersicht und „Führungsfähigkeit“ zu.
5. Frage: Wo verbringen Sie Ihre Zeit am liebsten, wenn Sie privat im Internet surfen?
Eine Frage, die Interessen außerhalb des Berufs anspricht. Gerne wird hier auch mit „Weiterbildung“ und „Fachlichem“ geantwortet. Insistiert man dann, kommen Facetten der Persönlichkeit hinzu, die bunter und auch das eine oder andere Mal überraschend sind.
Die Fragen sind teils sehr persönlich und außerdem ungewöhnlich. Auch Reaktionen wie spontane Ablehnung, Unruhe, Unsicherheit, Unverständnis und ähnliches verbunden mit non-verbalen Signalen in Gestik und Mimik sind interessante Hinweise zur Persönlichkeit. Ein erfahrener Interviewer erfährt in der Summe so viel mehr über den Menschen vor sich als alle Computer-Programme zusammen in Erfahrung bringen würden.