Our website uses cookies in order to be able to offer the best possible functionality. By using the website you agree to the use of cookies. More information can be found here.
Angela Westdorf: Einerseits finde ich, dass Frauen durch Inhalte und Leistung überzeugen sollten. Deshalb war ich immer strikt gegen eine Quote. Andererseits gibt es in Deutschland viel zu wenig Bewegung in den Vorstandsgremien. Werden mehr Posten an der Spitze mit Managerinnen besetzt, werden diese Frauen auch Frauen nachziehen. In der Folge wird sich auch die Unternehmenskultur ändern. Ohne Quote als eines von mehreren Mitteln erreichen wir dieses Ziel nicht. Deshalb befürworte ich ganz klar diesen Vorstoß.
Margareta Glass: Ich war auch immer eine Gegnerin der Quote. Das hat sich geändert. Ich glaube keinesfalls, dass sich infolge des gesellschaftlichen Drucks das Thema Frauen in Führungspositionen von selbst erledigen wird. Um eine Quote kommen wir deshalb nicht mehr herum. Selbst wenn alle Unternehmen, die vom Gesetzesvorschlag betroffen sind, sofort einen Mann gegen eine Frau austauschten, läge der Frauenanteil in den Vorständen der Konzerne in den Dax-Indizes laut AllBright Stiftung lediglich bei 15 Prozent. Die Quote allein reicht also ohnehin nicht, bedeutet aber zumindest eine klare Ansage, dass sich etwas ändern muss. Wir brauchen mehr Managerinnen mit Führungserfahrung. Dafür müssen Frauen die Chance bekommen, diese erwerben zu können.
Glass: Unsere Klienten möchten zunächst einmal den besten Kandidaten für die ausgeschriebene Position. Wenig bewegt sich in sehr konservativen männerdominierten Branchen wie dem Handel, der sehr selten Führungspositionen mit Frauen besetzt. Aber wenn es an positiven Erfahrungen fehlt, weiß man ja auch nicht, wie erfolgreich gegebenenfalls ein diverses Team arbeiten könnte. Zahlreiche Studien haben mittlerweile belegt, dass sich diverse Teams positiv auf das Betriebsklima, die Mitarbeiterbindung, das Image und sogar auf die Unternehmenskennzahlen auswirken. In Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels steigt die Arbeitgeberattraktivität dadurch enorm.
Westdorf: Es gibt auch Branchen, in denen sich schon einiges bewegt. Die Pharmaindustrie etwa, eine der weiblichsten Branchen des Verarbeitenden Gewerbes, ist deutlich weiter als der Handel. Beim Darmstädter Pharma-und-Technologie-Konzern Merck wird mit Belén Garijo im Mai 2021 erstmals eine Frau zur alleinigen Chefin eines Dax-Unternehmens aufsteigen. Als Mutter von zwei Töchtern widerlegt sie gleichzeitig das Vorurteil, dass solche steilen Karrieren nur ohne Kinder gelingen können. Die DAX-Konzerne Fresenius und Fresenius Medical Care haben beide den CFO-Posten, in der Regel eine typische Männerdomäne, mit Frauen besetzt. Das sind sehr gute Signale. Diese Frauen haben einen Vorbildcharakter. Sie zeigen: Es geht!
Glass: Genau deshalb müssten die heute noch männerdominierten Branchen verstärkt darauf achten, dass sie schon auf den unteren Ebenen in allen Funktionsbereichen auch mehr Frauen einstellen und sie dann aufbauen. Eine Elternzeit muss dennoch möglich sein. Auch flexiblere Arbeitszeiten könnten eine Lösung für Unternehmen sein, die mehr weibliche Topmanager suchen. Eine Studie der Zurich Insurance Group ergab, dass es 20 Prozent mehr Bewerbungen von Frauen für hochrangige Führungspositionen gab, wenn diese Jobs auch mit Teilzeit- oder Jobsharing-Option angeboten wurden. Die Zahl der tatsächlich eingestellten Top-Managerinnen stieg sogar um ein Drittel. Der von COVID ausgelöste Trend zu mehr Flexibilität in der Arbeitswelt könnte die Gleichstellung in vielen Unternehmen voranbringen.
Westdorf: Es gibt auch viel zu wenige Unternehmen, die Mentoren einsetzen, um Frauen zu fördern. Wenn aber erfahrene Führungskräfte, egal ob Frauen, Männer oder auch ein gemischtes Doppel, jüngere Managerinnen eine gewisse Zeit als Coach begleiten, wird das deren Karriere pushen und auch deren Selbstvertrauen. Immer noch gibt es viel zu viele Frauen, die sich erst auf eine Stelle bewerben, wenn sie fast schon überqualifiziert sind. Männer trauen sich viel mehr zu, selbst wenn sie gewisse Kompetenzen noch gar nicht haben.
Westdorf: Solange es so wenige Frauen an der Spitze gibt, wird man natürlich in der Krise eher auf Männer setzen, die schon bewiesen haben, dass sie in schwierigen Zeiten ein Unternehmen lenken können.
Glass: Eine qualifizierte und erfahrene Frau kann genauso gut mit Krisen umgehen wie ein Mann, manchmal vielleicht sogar besser, weil weibliche Führungskräfte meist emphatischer sind.
Westdorf: Es ist immer noch die absolute Ausnahme, dass beide Partner sehr erfolgreich sind. Beispiele sind die Multi-Aufsichtsräte Paul und Ann-Kristin Achleitner oder die Bankmanager Martin und Dorothee Blessing. Einige Konzerne haben eigens Abteilungen, die nach einer Versetzung an einen anderen Ort auch eine passende Beschäftigung für den Partner suchen. Aber meist ist es gar nicht möglich, etwas Adäquates zu finden, wenn beide sehr erfolgreich sind.
Glass: Was mich grundsätzlich zuversichtlich stimmt, ist, dass es für jüngere Frauen heute selbstverständlich ist, zu arbeiten und den Job auch nicht aufzugeben, wenn sie Mutter werden. Ich habe auch immer gearbeitet. Wenn ich meine Tochter an der Kita abholte, fragten mich andere Mütter, ob ich denn arbeiten müsse. Diese Einstellung hat sich geändert, aber die Rahmenbedingungen für eine vernünftige Kinderbetreuung stimmen, ganz anders als etwa in Frankreich, immer noch nicht. Eine Französin hat das Wort Rabenmutter wahrscheinlich noch nie gehört.
Westdorf: In den Gesprächen mit unseren Klienten spüre ich schon eine klare Bereitschaft, sich öffnen zu wollen. Wenn ein Kandidat zum Beispiel bei der Bewerbung sagt, dass er Freitagmittags immer um 14 Uhr seine Kinder abholen müsse, haben die Personalchefs heute viel eher dafür Verständnis. Das wäre vor einigen Jahren undenkbar gewesen. Das Thema Betreuung wird keinesfalls mehr ausschließlich als Sache der Frauen gesehen.
Im Gespräch verwies Margareta Glass auf mehrere Studien:
Zurich Insurance Group
AllBright Stiftung
Margareta Glass absolvierte ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Sie begann ihre berufliche Laufbahn Ende der 80er Jahre bei Estée Lauder Cosmetics in München.
Mitte der 90er Jahre wechselte sie in die Personalberatung, zunächst war sie bei Heidrick & Struggles in Düsseldorf und München tätig. Erfolgreiche Jahre als Partnerin in namhaften Executive-Search-Unternehmen folgten, bevor sie im August 2014 als Managing Partner bei Signium München begann. Heute ist Margareta Glass, neben ihrer Tätigkeit als Managing Partner, auch CFO der Signium-Gruppe Deutschland.
Zu ihren Kunden gehören international agierende Konzerne, mittelständisch geprägte und inhabergeführte Unternehmen. Ihre Beratungsschwerpunkte liegen im Handel, Konsumgüterbereich und Real Estate Management.
Telefon: 089 92796 123
E-Mail: [email protected]
Angela Westdorf ist Managing Partner und seit 1998 bei Signium mit Fokus auf Life Sciences und Healthcare. Ihre Klienten sind Unternehmen aus Pharma/Biotech und Medizintechnik, E-Health, Diagnostik, Laborketten und Private Klinikbetreiber. Von 2013-2018 leitete sie die globale Life Science Practice und wurde 2018 zum Vice Chair im globalen Board von Signium ernannt.
Gemeinsam mit ihrem Team in Köln betreut sie ihre langjährigen Klienten sowohl im Mittelstand, in Start-ups als auch in Großkonzernen und besetzt für sie Führungspositionen auf nationaler und internationaler Ebene.
Vor ihrem Eintritt bei Signium arbeitete sie bei einem der größten Fernsehsender Deutschlands mit Fokus auf Gesundheit und als Redakteurin im Verlagswesen. Darüber hinaus lebte und arbeitete sie in Großbritannien und ist graduierte Germanistin und Anglistin der Universität zu Köln.
Telefon: 0221 78 95 33 31
E-Mail: [email protected]