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Angela Westdorf ist Managing Partner bei Signium am Standort Köln. Seit 1998 ist sie bei Signium mit Fokus auf Life Sciences und Healthcare aktiv. Zu Angela Westdorfs Klienten zählen Unternehmen aus Life Sciences in den Bereichen Pharma/Biotech und...
Angela Westdorf: Es bedarf einer gewissen Persönlichkeit und Souveränität, dass man für sich erkennt und zulässt: Jetzt ist es genug. Wer sich nur über die Aufgabe definiert und an der Macht festhält, der wird diesen Schritt nicht gehen. Meist geht es dabei ja auch nicht um das Geld, sondern um die Reputation. Die Aussicht auf den Ruhestand empfinden viele als beängstigend, manchmal sogar als existenzbedrohend, weil das Selbstwertgefühl so eng mit der Arbeit verbunden ist und sie fürchten, ohne den Titel nicht mehr respektiert zu werden. Ein guter Zeitpunkt ist, wenn man sagen kann, dass man etwas in der Organisation bewegt und die Umsetzung miterlebt hat. Das Geschäft sollte auch noch gut laufen. Wenn man als Führungskraft immer propagiert, dass sich die Mitarbeiter alle drei bis fünf Jahre weiterentwickeln sollen, warum sollte man dann die eigene Person davon ausnehmen.
Westdorf: Zum Beispiel Joe Kaeser, der Siemens erfolgreich sehr radikal umgebaut hat und Anfang 2021 mit 63 Jahren ausschied. Oder Volkmar Denner, langjähriger Bosch-Chef, der kurz nach seinem 65. Geburtstag Ende 2021 aufhört und anders als sein Vorgänger nicht den Aufsichtsrat führen wird, sondern sich auf die Forschung konzentrieren und dem Konzern als wissenschaftlicher Berater in der Quantentechnologie dienen will. Kasper Rorsted, der den Börsenwert des Konsumgüterherstellers Henkel während seiner Zeit als CEO verdreifachte, ein Rekordergebnis erzielte und dann an die Spitze von Adidas wechselte. Ein weiteres positives Beispiel ist Sigrid Nikutta, die erfolgreich das Berliner Verkehrsunternehmen BVG führte und nach fast zehn Jahren als erste Frau an der BVG-Spitze in den Bahnvorstand aufrückte.
Westdorf: Der Klassiker ist, dass jemand 20 oder 25 Jahre im selben Unternehmen bleibt, dann gehen muss, weil zum Beispiel die Zahlen nicht mehr stimmen oder ein neuer CEO Leute seines Vertrauens holt. Nach solch einer langen Zeit ist ein älterer Manager kaum noch vermittelbar. Viele über 60-Jährige würden aber gern noch einmal durchstarten und ihre Erfahrungen einbringen. Ihnen kann man nur raten, ihr Wissen anderweitig zu nutzen, sei es als Berater von Start-ups, Business Angel, in Ehrenämtern, Branchenverbänden, gemeinnützigen Organisationen. Zufriedenheit kann ja auch über andere Aufgaben kommen als über den klassischen Job, zumal man in dem Alter oftmals nicht mehr auf ein hohes Gehalt angewiesen ist. Die Menschen wollen vor allem über eine Aufgabe wertgeschätzt werden. Ich frage diese Manager dann auch immer, wie viele Mitarbeiter sie im Laufe ihres Jobs eingestellt haben, die älter waren als 60. In fast allen Fällen ist die Antwort: niemand. Mit viel, viel Glück startet jemand mit über 60 noch einmal als freier Berater durch und wird später fest eingestellt, weil seine Expertise geschätzt wird.
Westdorf: Ich finde, dass Frauen anders abtreten als Männer. Ein gutes Beispiel ist Frau Merkel. Es gab keinen Kanzler, der souverän und freiwillig aufgehört hat, weil er fand, dass es genug sei. Bei Führungskräften beobachte ich das ebenso selten. Zu den Ausnahmen zählen für mich zum Beispiel Janina Kugel und Simone Menne. Als ziemlich überraschend bekannt wurde, dass die damalige Personalvorständin nach 17 Jahren Siemens verlassen werde, schrieb Janina Kugel auf LinkedIn, dass sie sich die Zeit nehmen wolle, von anderen Organisationen und anderen Menschen mit anderen Erfahrungen zu lernen. Simone Menne, Ex-Lufthansa-Managerin und damals erste Finanzvorständin eines DAX-Unternehmens, bat um die vorzeitige Beendigung ihres Vertrages, um sich weiterzuentwickeln. Heute arbeitet sie als Multi-Aufsichtsrätin, betreibt eine Galerie, moderiert den Podcast „Die Boss“ und ist seit diesem Jahr Präsidentin der American Chamber of Commerce in Germany. Das zeigt auch, wie vielfältig man die Zeit nach einem Ausstieg gestalten kann.
Westdorf: Eine feste Zeit halte ich nicht für sinnvoll und 60 Jahre heutzutage definitiv für zu jung. Im Vordergrund muss die Lage des Unternehmens stehen. Der ehemalige CEO von Goldman Sachs, Lloyd Blankfein, hat vor seinem Abschied in den Ruhestand gesagt: „In schwierigen Zeiten kann man nicht gehen. Und in besseren will man es nicht.“ Das bringt das Dilemma gut auf den Punkt.
Westdorf: Das hängt sicher von der Persönlichkeit ab. Will ein Top-Manager unbedingt weiter aufsteigen, liegt in solch einem Fall ein Wechsel nahe. Vor allem dann, wenn der Fall öffentlich bekannt wurde. Wenn man bleibt, ist die Frage, wie sich der fehlgeschlagene Aufstiegswunsch auf das interne Ansehen auswirkt. Aber oftmals wird es ja auch gar nicht publik.
Angela Westdorf ist als Managing Partner bei Signium mit Sitz in Köln tätig und arbeitet seit 1998 in der Executive Search Beratung. Von 2016 bis 2021 war sie im globalen Signium Board, davon drei Jahre als Vice Chair. Seit 2003 liegt Angela Westdorfs Branchenfokus auf Life Sciences und Healthcare. Zu Ihren Klienten zählen Unternehmen aus Pharma- und Medizintechnik, Diagnostik, Laborketten, Biotech und Private Klinikbetreiber. Sie ist spezialisiert auf die Besetzung von sowohl nationalen als auch globalen Führungspositionen oder international ausgerichteten Stabsfunktionen.
Von 2013 bis 2018 war Angela Westdorf Leiterin der Globalen Life Science Practice von Signium.
Telefon: 0221 78 95 33 31
E-Mail: [email protected]