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Philipp Lahm denkt stets einige Spielzüge voraus. Schon länger bereitet sich der zielstrebige Profikicker deshalb akribisch auf das Ende seiner Karriere vor. Einen Job als Trainer zog der Münchner dabei gar nicht erst in Betracht. „Ich stehe seit 25 Jahren tagein, tagaus auf dem Platz, ich brauche nach Karriereende etwas Abwechslung“, sagte der 32-Jährige, dessen Vertrag beim FC Bayern München in zwei Jahren ausläuft, zum Handelsblatt. Dann soll es für Lahm als Unternehmer weitergehen. Zug um Zug beteiligt sich der Spieler, der als einer der erfolgreichsten Fußballer aller Zeiten gilt, an Unternehmen. Nicht an irgendwelchen, sondern ganz gezielt an solchen, die ihr Geld mit Sport verdienen. Denn Lahm will nicht nur sein Vermögen anlegen, sondern operativ im Geschäft mitmischen.
Anfang 2015 kaufte er sich bei Sixtus ein, einem oberbayerischen Hersteller von Fuß- und Körperpflegeprodukten, kurz darauf folgte der Einstieg beim Berliner Startup Fanmiles, das eine Art Treuepunktesystem für Fans anbietet und schließlich im Frühjahr 2016 die Beteiligung an der noch jungen Danova GmbH, einem Spezialisten für betriebliche Gesundheitsvorsorge, der Adidas, Telekom und den Tüv Süd zu seiner Klientel zählt. Den strategischen Weitblick eines Philipp Lahm haben nur wenige seiner Fußballerkollegen. Und selbst in der Wirtschaft wird mehr auf das Heute als auf das Morgen geschaut.
Gert Schmidt, Managing Partner von Signium, ist überrascht, wie viele Manager mit Scheuklappen durch ihr Berufsleben laufen. Eigentlich müsste jeder wissen, dass zum Beispiel nach Übernahmen neben der Erschließung neuer Marktchancen alle Prozesse auf dem Prüfstand stehen und in jedem Funktionsbereich Synergie- und Einsparungs-potentiale gesucht werden. Dies hat natürlich erhebliche Auswirkungen auch auf Position/Aufgabenbereiche der Manager. „Aber wenn wir auf Verantwortliche besonders „gefährdeter“ Bereiche von übernommenen Unternehmen zugehen, erleben wir häufig, dass diese Personen das „real existierende“ Karriererisiko schlicht ausblenden“, sagt der Berater, der mehrfach von der Wirtschaftswoche zu den Top-100-Headhuntern in Deutschland gewählt wurde. „Die Realität wird verdrängt und einen Plan B haben die Wenigsten im Kopf. Deshalb kommt es heute immer häufiger vor, dass ein Umbruch einen Manager subjektiv unerwartet trifft.“
Wenn nach Fusionen oder Übernahmen die Eigentümer wechseln, wenn ein neuer CEO an die Spitze rückt, wenn ein Familienunternehmen den Generationswechsel einläutet und sich eine Firma strategisch neu ausrichtet, dann sind damit oft personelle Veränderungen verbunden. „Durch eine strategische Neujustierung des Unternehmens passen Führungskräfte einer bestimmten Ausprägung und Verhaltensweise oftmals nicht mehr in das neue Spielsystem des Trainers“, weiß Schmidt. Löst zum Beispiel der in Quartalsergebnissen denkende „Trainer“ den langfristig denkenden Visionär ab oder folgt dem Gründerpatriarchen mit Fokus auf den deutschsprachigen Wirtschaftsraum Sohn/Tochter oder Fremdmanager mit internationalen Wachstumsplänen, dann braucht der Verantwortliche ein anderes Führungsteam, um seine Ziele zu erreichen. Flexibel einsetzbare Persönlichkeiten sind gegenüber dem funktional eindimensionalen Fachmann im Vorteil.
Gleichzeitig beobachtet Schmidt, dass die Karenzzeit, die Unternehmen ihren Managern einräumen, kürzer wird. „Der Druck durch Investoren, Finanzmärkte und Wettbewerber ist größer geworden und wird eins zu eins an die operative Ebene weitergegeben.“ Vermehrt würden auch nicht börsennotierte Unternehmen in Quartalszeiträumen denken und nicht wie die typische inhabergeführte Gesellschaft in langfristigen Zyklen.
Neben firmenspezifischen Anlässen wie Eigentümer- und CEO-Wechsel sowie externem Druck durch Stakeholder und Marktbedingungen sorgen nach Beobachtung des Headhunters auch die durch die zunehmende Komplexität der Unternehmensprozesse gestiegenen Anforderungen in den Firmen für häufigere Personalwechsel. „Früher war jeder zufrieden, wenn er in seinem Funktionsbereich ein Fachmann war, was für eine „Silokarriere“ häufig ausreichte. Heute sind die Strukturen so vernetzt, dass sie kaum noch in ein Organigramm passen.“ So müsse zum Beispiel auch Entwickler einiges von Produktion, Marketing und Vertrieb verstehen, um marktfähige Produkte zu kreieren. Einkauf und Produktion müssen über Make or Buy und somit über die Fertigungstiefe entscheiden. Schmidt: „Man braucht keine fachlich genialen Autisten, die tolle Getriebebauteile entwickeln können, die aber nicht effizient zu fertigen und in relevanten Stückzahlen zu verkaufen sind.“
Entsprechend stark haben sich die Anforderungen an die Qualifikationen geändert. Die Konzentration auf das eigene Ressort reiche nicht mehr aus. „Die klassischen Silokarrieren in einem Unternehmen werden deshalb seltener“, ist der Signium-Berater überzeugt.
Auch die Beraterbranche bekommt den Trend zu vermehrten Umbrüchen deutlich zu spüren. Die Zeit der üppigen zweistelligen Wachstumsraten ist zwar seit einigen Jahren vorbei, aber zuletzt wuchs der Umsatz der Branche mit ihren rund 2000 Personalberatungsgesellschaften nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater e.V. (BDU) immer noch um 6,8 Prozent. Die großen Gesellschaften mit mehr als fünf Millionen Euro Umsatz erzielten ein Plus von 6,7 Prozent. Auch Signium verzeichnet eine steigende Nachfrage seiner Klienten, für sie global nach Führungskräften zu suchen, die den gestiegenen Anforderungen gerecht werden können.
Während die Zahl komplexer Suchaufträge steigt, wird die Arbeit der Headhunter auch aus anderen Gründen immer anspruchsvoller. So sieht der Verband der Unternehmensberater in seiner Studie „Personalberatung in Deutschland“ als einen wesentlichen Branchentrend, dass „der Widerspruch zwischen geforderter Besetzungsgeschwindigkeit und immer komplexer werdenden Kandidatenmärkten deutlich zunimmt“. Soll die Suche der Headhunter gelingen, brauchen deshalb nicht nur Sportler und Manager einen Plan B, sondern auch die beauftragenden Unternehmen.