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Schon 74mal hatte Ken Jennings bei der US-Quizshow „Jeopardy!“ gewonnen und Rekordsummen eingeheimst. Doch dann kam Watson. Das kognitive Computersystem von IBM ging 2011 aus gleich drei Sendungen als klarer Sieger gegen Jennings und einen weiteren Champion hervor. Zuvor hatten die Programmierer große Datenmengen in das System eingespeist, etwa aus Lexika und Medien. So gelang es Watson die kniffligen Aufgaben zu lösen, die anders als in deutschen Ratesendungen von den Kandidaten verlangen, binnen fünf Sekunden die richtige Frage auf eine vorformulierte Antwort zu finden. Für Watson kein Problem.
Seit seinem ersten öffentlichkeitswirksamen Auftritt sind fünf Jahre vergangen. Fünf Jahre, in denen Watson kräftig dazugelernt hat. Es sei der Anfang einer neuen Ära, der kognitiven Ära, verkündete IBM-Chefin Ginni Rometty Anfang des Jahres auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas. Bislang konnten rund 80 Prozent aller Daten nicht gelesen werden, weil sie unstrukturiert, also als Bilder, Videos oder Ton vorlagen und für Computer nicht verwertbar waren. Watson ist laut IBM in der Lage, Millionen dieser Daten in Sekunden zu lesen und zu verstehen.
Für Experten steht fest: Cognitive Computing läutet den Beginn eines neuen Computer-Zeitalters ein. An die Stelle programmierbarer Rechner treten künftig verstärkt kognitive, also verstehende Systeme, die nicht nur zuhören und sprechen, sondern auch denken und lernen, indem sie Erfahrungen mit ihrer Umgebung machen. Sie registrieren Nuancen in der menschlichen Semantik und sie interagieren mit Personen. Erstmals müssen sich damit Menschen nicht mehr den starren Regeln eines Computers unterwerfen, sondern können natürlicher als in der Vergangenheit mit ihm kommunizieren.
Die humanoiden Roboter füttern die Unternehmen mit riesigen Datenmengen, den Big Data, darunter Sensordaten aus Maschinen, Informationen aus dem Kundenmanagement oder auch Wetterprognosen. Dank künstlicher Intelligenz sind die Systeme in der Lage die Bausteine zu verknüpfen, um so den Menschen in seinen Erkenntnissen und Entscheidungen zu unterstützen. Bis zum Jahr 2018, so prognostiziert es das US-Marktforschungsunternehmen IDC, werde die Hälfte aller Verbraucher mit Services in Berührung kommen, die mit Cognitive-Computing-Lösungen arbeiteten. Potenzial sehen Experten in fast allen Branchen, sei es in der Pharmaindustrie, im Handel, der Logistik, bei Versicherungen oder zum Beispiel auch in der Vermögensberatung.
Auf der weltgrößten IT-Messe CeBIT demonstrierte Watson jüngst, was in ihm steckt: Die smarten Supercomputer erleichtern die Wartung, indem sie anhand von Sensordaten prognostizieren, wann ein Teil in einer Maschine ausgetauscht werden muss. Sie verbessern den Kundenservice, weil sie die Stimmung in einer E-Mail automatisch analysieren und sofort Reaktionen vorschlagen. Sie präsentieren den Kunden maßgeschneiderte Angebote, da sie deren Kaufgewohnheiten von Mal zu Mal besser kennenlernen.
Um die kognitiven Lösungen an die verschiedenen Branchen mit ihren speziellen Anforderungen anzupassen, tüfteln die Programmierer an individuellen Lösungen. So arbeiten IBM und SAP aktuell an einer selbstlernenden Computing-Plattform für Versicherungen, die große Mengen von Schadensmeldungen durchforstet, um Auffälligkeiten zu entdecken. Wurde getrickst oder war ein Fahrer nur unaufmerksam? Fragen, die sich mit selbstlernenden IT-Systemen schneller und einfacher beantworten lassen als durch einen Sachbearbeiter.
Daten seien das neue Öl, ist Kevin Plank, der Chef des US-Sportbekleidungsherstellers Under Armour, überzeugt. Diejenigen, die Daten lesen und auswerten könnten, seien diejenigen, die siegen würden. Bei seinem Siegeszug soll ihm Watson helfen, indem er Nutzerdaten der Under-Armour-Wearables auswertet und via App den Kunden mitteilt, wie es um ihre Fitness-, Ernährungs- und Schlafgewohnheiten steht.
Dass mit den Big Data ein wertvoller Schatz auf den Servern im Rechenzentrum lagert, haben viele deutsche Firmen offenbar noch nicht erkannt. Erst maximal 21 Prozent nutzen laut einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom moderne Methoden der Datenanalyse, etwa für die Produktionsplanung, die Kundenanalyse oder das Risikomanagement. Vorreiter seien Autobauer und Versicherer. Nicht nur Arbeitnehmer blockieren die digitale Transformation, auch die Spitzen der Unternehmen verharren nicht selten in der alten Arbeitswelt.
„Führungskräfte setzen sich noch zu wenig mit den Chancen und Grenzen der kognitiven Technologien auseinander“, warnt Horst Neller, Managing Partner der internationalen Personalberatung Signium und bezweifelt, dass sich die deutsche Wirtschaft und vor allen der sie tragende Mittelstand das leisten könne. Die vierte industrielle Revolution, Industrie 4.0, und cyber-physische Systeme seien weiter vorangeschritten als es mancher wahrhaben wolle. „Die disruptiven Technologien ermöglichen völlig neue Geschäftsprozesse. Damit muss sich aber das gesamte Management eines Unternehmens befassen, nicht nur die Techniker oder ITler.“ Für den Headhunter, der sich auf Klienten mit technologisch komplexen, erklärungsbedürftigen Produkten und Dienstleistungen fokussiert, gehört das Thema ganz oben auf die Agenda.